Berlin als unterschlupf
Haben Sie schoneinmal darüber nachgedacht, welchen Ort Sie in einer Großstadt wie Berlin wählen würden, wenn Sie gezwungen wären eine Nacht auf der Straße zu schlafen?
Als ich bei meiner ersten Deutschlandreise im Winter 2006 am Frankfurter Flughafen aus dem Flugzeug ausstieg, wehte mir eine eisige Kälte entgegen. Gerade eben war ich noch in Lissabon im T-Shirt durch die Straßen gewandert und nun schien selbst ein Winter-Annorak mich nicht vor dieser Kälte schützen zu können.
In diesen Tagen fing eine Frage an mich zu beschäftigen, die mich seither nicht mehr losgelassen hat:
Wenn ich hier gezwungen wäre auf der Straße zu schlafen, welchen Ort würde ich mir als Unterschlupf erwählen?
Infolge entstand eine Serie von Fotos und Zeichnungen, bei denen ich die Orte festzuhalten versuchte, an denen ich mir vorstellen könnte eine Nacht zu verbringen, wenn ich es müsste. Ich versuchte herauszufinden, nach welchen Kriterien ich diese Orte beurteilte und warum sie mir als Schlafplatz geeignet erschienen. Ich hatte den Eindruck, dass die wichtigsten Punkte für mein Wohlbefinden folgende waren: Schutz vor den Wetterverhältnissen, Sicherheit und die Gewährleistung einer gewissen Privatsphäre.
10.000 Obdachlose in Berlin machen täglich dieselbe Überlegung. Die Frage ist, ob diese Menschen ihre Schlafplätze nach den gleichen Kriterien auswählen; treffen sie doch ihre Entscheidung mit ganz anderen Erfahrungshintergründen. Oder sind die genannten Bedürfnisse so fundamental, dass sie alle Menschen in gleichem Maße betreffen?
Neben der Frage über die Bedürfnisse und der Wahl eines Ortes erscheint mir ein völlig anderer Aspekt noch äußerst bemerkenswert.
Die Orte, die als Schlafplätze erwählt werden: haben sie nicht eine besondere Qualität? Sind es doch meist unbeachtete, fast vergessene Orte, die scheinbar doch eine Art Gemütlichkeit ausstrahlen. Durch die Uminterpretation, die ihnen wiederfährt, erhalten sie einen gewissen Glanz, eine subtile Schönheit, die einem erst auffallen kann, wenn man seinen Blick verändert und bereit ist zu sehen, wovor man gewöhnlich die Augen verschließt.
Mein Projekt soll in zwei Phasen realisiert werden:
1.Sammlung von Material zum Thema
2.Weiterverarbeitung dieser Materialien in meiner künstlerischen Arbiet
Die Sammlung von Materiealien soll in zwei Schritten verlaufen:
Im ersten Schritt sollen Bürger von Berlin mit fester Adresse durch die Stadt gehen und sich Plätze aussuchen, an denen sie sich vorstellen könnten eine Nacht zu schlafen. Sie sollen diese Orte fotografieren und hinterher in einem Interview Gründe angeben, warum sie sich für diese bestimmten Orte entschiedne haben. Außerdem sollen sie bei ihrer Suche gefilmt werden.
In einem zweiten Schritt möchte ich mich mit obdachlosen Menschen von Berlin in Verbindung setzen und sie bitten mich zu ihren Schlafplätzen zu führen, und sie dabei filmen zu dürfen. Auch möchte ich sie in einem Interview befragen, warum sie an diesem und keinem anderen Ort ihr Nachtlager aufschlagen. Dieser Prozess wird nicht ganz einfach sein. Aber ich zweifele nicht daran, dass er möglich ist, und erachte diesen Schritt in meiner Arbeit als besonders interessant und wichtig.
Nach Abschluss der Sammlung von Material möchte ich auf andere Medien umsteigen (Zeichnungen und Malerei) und in den Prozess der künstlerischen Kreation einsteigen.
Es soll nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Ausstellung der Arbeit auch das Arbeitsmaterial gezeigt wird, jedoch sollen Malerei und Zeichnungen im Fordergrund stehen.
Es sind also zwei Seiten einer Medallie, die mich dazu veranlassen als Künstler aktiv zu werden: Einerseits der Mensch, der seinen Schlafplatz wählt, diesen und keinen anderen, aufgrund von bestimmten Erfahrungen oder fundamentalen Bedürfnissen. Und andererseits: der gewählte Ort mit seinen besonderen Eigenschaften, seiner subtilen, dreckigen Schönheit und seiner eigenartigen Beziehung mit den Bewohnern der Stadt.
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